Die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl seit 1947

Ein Streifzug durch die Jahrzehnte – Stationen einer wechselvollen Geschichte

Von der klassischen Waldarbeit mit Axt und Zugsäge in den 1950iger Jahren, der technischen Weiterentwicklung zu Motorsäge, Harvester, Seilanlagen und Forwarder bis hin zu den Softskills der Waldpädagogik oder der Erhaltung und Förderung der Biodiversität, der Weiterentwicklung zum digitalen Wald ist die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl ein Bildungszentrum für alle am Wald und an der Natur Interessierten geworden. Rund 135.000 Teilnehmer:innen haben seit 1947 Aus- und Weiterbildungen an der Forstlichen Ausbildungsstätte Pich besucht.

Ein umfassendes Qualitätsmanagement – die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl ist seit 2007 nach ISO 9001:ff zertifiziert – und die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Bildungshäuser stellen die laufende Weiterentwicklung unserer Qualitätsstandards in der Aus- und Weiterbildung sicher.

Besonders stolz sind wir auf den von uns bewirtschafteten Lehrforst im Ausmaß von 350 ha im Nahbereich des Bildungshauses.

Unsere Arbeit wird nicht nur in der Steiermark, sondern in ganz Österreich wahrgenommen, von Waldbesitzer:innen bis zu den Universitäten des Landes, aber auch weit über die Landesgrenzen hinaus. So ist die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl nicht nur in Europa, sondern auch in Übersee ein gefragter Partner bei internationalen Projekten.

Ohne unseren Träger, die Landwirtschaftskammer Steiermark, unsere engagierten Mitarbeiter:innen, Kooperationspartner und die vielen externen Referent:innen wären wir nicht das, was wir jetzt sind.

Wir sind ein Bildungshaus für Generationen, ein Kulturzentrum der Region, eine Institution, in der Innovation und Historie zusammengeführt werden, um Bildung für eine gemeinsame Zukunft anzubieten.

Dipl. Ing. Martin Krondorfer

Leiter der Forstlichen Ausbildungsstätte Pichl


Eine kurze Chronik der FAST Pichl in Meilensteinen

1947

Die Gründung der Forstlichen Ausbildungsstätte Pichl war eine der zahlreichen Pionierleistungen von Reg.R. Dipl.-Ing. Arnold Elsässer, dem ersten Forstdirektor der Landwirtschaftskammer für Land- und Forstwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach der Auflösung der Waldbauernschule Aflenz und des Waldarbeitslagers Sommerau im Jahr 1945 wurde 1946 vom Forstausschuss der Kammer der Beschluss gefasst, eine forstliche Ausbildungsstätte zu schaffen.

Im Februar 1947 wurde das Schloss Pichl in Mitterdorf im Mürztal auf 20 Jahre von der Besitzerfamilie Orgovanyi gepachtet und der zugehörige 325 ha große Grundbesitz als Lehrbetrieb in Bewirtschaftung genommen.

Im Frühjahr 1947 räumte die Besatzungsmacht England das Schloss. Bis auf Tür- und Fensterstöcke und das aus dem 18. Jahrhundert stammende Bildnis des „Schlossregerls” wurde alles, was nicht niet- und nagelfest war, mitgenommen.

Im Sommer eröffnete Forstdirektor Arnold Elsässer die „Waldbauern und Waldarbeiterschule Pichl”. Am 21. Juli 1947 wurde die Lehrtätigkeit der Forstlichen Ausbildungsstätte Pichl mit dem ersten Kurs für Waldarbeiter begonnen, unmittelbar gefolgt von weiteren Veranstaltungen.

Als Leiter der Waldbauernschule wurde Diplom-Forstwirt Ingo Lamp (Absolvent der Forstlichen Fakultät der Universität München) gewonnen, der Erfahrungen aus seiner Tätigkeit im Waldarbeitslager Sommerau einbrachte. Die offizielle Eröffnung erfolgte am 6. Oktober 1947 durch Landeshauptmann Anton Pirchegger und Kammerpräsident Ök.-Rat Josef Hollersbacher.

1952

Schnell wurde in der Waldbauernschule Wissen über die Waldarbeit nicht nur weitergegeben, sondern auch weiterentwickelt. Bei der Optimierung der Zugsäge, der Handwerkzeuge und deren Instandhaltung hat Pichl einen entscheidenden Beitrag geleistet. Zahlreiche Bücher und Broschüren wurden in dieser Zeit verfasst und ein Wissensvorsprung gegenüber anderen Institutionen erarbeitet, der Mitarbeiter von Pichl zu Schulungszwecken sogar bis nach Südtirol brachte.

1954

Im Jahre 1954 wurde die Liegenschaft – Forstgut mitsamt Schloss und Forstgarten – von der Kammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark gekauft.

Neben den eigenen Entwicklungen auf dem Gebiet der forstlichen Werkzeuge war die Ausbildungsstätte auch offen für innovative Entwicklungen in Europa. In Schweden wurden die ersten Fällheber für die Schwachholzernte entwickelt – die besondere Schnitttechnik, die dieses Gerät benötigt, wird bis heute in Pichl gelehrt.

1957

Neben den eigenen Entwicklungen auf dem Gebiet der forstlichen Werkzeuge ist die Ausbildungsstätte auch offen für innovative Entwicklungen in Europa. Um 1954 werden in Schweden die ersten Fällheber für die Schwachholzernte entworfen. Die besondere Schnitttechnik, die dieses Gerät benötigt, wird bis heute auf dem Übungsplatz hinter dem Gästehaus gelehrt. Präzession und Genauigkeit ist bei der Schnittführung mit der Motorsäge gefragt, die so manche Schweißperlen aller Beteiligten bei der Fällung eines Baumes hervorruft, wenn sie nicht korrekt durchgeführt wird. Die technischen Entwicklungen dürfen an einer forstlichen Ausbildungsstätte nicht vorübergehen, sie müssen vorzeitig erkannt werden. Seilkräne, Gebirgsharvester, Harvester, Prozessoren, Sortiments- und Knickschlepper stehen heute im Forstbetrieb, bei Unternehmern und  teilweise im Bauernwald im Mittelpunkt…

1962

Die Zugsäge wurde durch zwar schwere, aber effiziente und von einer Person bedienbare Motorsägen verdrängt, und die ersten Motorsägen hielten Einzug im praktischen Unterricht der Waldbauernschule Pichl. Rationalisierungszwänge in den Forstbetrieben führten zu einem massiven Abbau personeller Ressourcen, der durch bessere maschinelle Ausstattung und höhere Leistung bei der Waldarbeit kompensiert wurde. Die zunehmende Bedeutung von Unfallverhütung und Ergonomie durch neue technische Herausforderungen und höheren Leistungsdruck führen zu einem gesteigerten Ausbildungsbedarf für die Waldarbeiter.

1967

Auch scheinbar einfache Entwicklungen hielten Einzug in die Forstwirtschaft und veränderten die Arbeitsweise maßgeblich. Mit dem Rollmaßband etwa konnte die Ausformung von nur einer Person bei der Entastung miterledigt werden.

1973

Ofm. Dipl.-Ing. Michael Donaubauer (1940-2009) übernahm 1973 die Leitung der Waldbauern- und Waldfacharbeiterschule Pichl.

1977

Beim Waldarbeit-Wettbewerb wurde noch gänzlich ohne Schutzausrüstung gearbeitet – die Unfallstatistiken waren zu dieser Zeit mit ca. 5.000 Verletzten entsprechend katastrophal.

1981

Für die Beherbergung der Kursteilnehmer:innen, die bis dahin im heutigen Kalchberg-Saal untergebracht waren, war eine Veränderung vonnöten. Um dem Ausbildungsstandard der Zeit gerecht zu werden, beschloss die Landeskammer für Land- und Forstwirtschaft in Steiermark den Bau eines Gästehauses und zweckmäßiger Werkstätten. Der Einsatz von Dipl.-Ing. Michael Donaubauer, Forstdirektor Dipl.-Ing. Walter Purrer und Kammeramtsdirektor Dr. Heinz Kopetz waren dafür maßgeblich.

Zur Lösung dieser sowohl technisch als auch künstlerisch anspruchsvollen Aufgabe wurde ein Architektenwettbewerb ausgerufen, bei dem großer Wert auf das Bauen und Heizen mit Holz gelegt wurde. Sieger des Wettbewerbs war das Grazer Architektenehepaar Szyszkowitz-Kowalski.

1985

Am 12. Juli wurde das neue Gästehaus mit Werkstättenräumlichkeiten womit eine deutliche, aber auch notwendige Attraktivitätssteigerung von Pichl gelang. Die Versorgung mit Wärme aus einer eigenen Hackschnitzelheizung – damals ein Pionierprojekt – war ein zusätzliches Novum und deutliches Signal für die Bedeutung des Rohstoffes Holz.

1997

Das 50-Jahre-Jubiläum wurde im Herbst groß gefeiert, und gemeinsam mit den Ehrengästen wurde im Schlosspark ein Bergahorn gepflanzt.

Von der klassischen Waldarbeiterschule mit Axt und Zugsäge in den 1950iger Jahren war die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl ein Bildungszentrum für alle am Wald und an der Natur Interessierten geworden.

2002

Das „Jägerseminar”– eine Kooperationsveranstaltung mit Bezirksjagdamt und Jagdschutzverein Mürzzusschlag – startete und stellte sich als großer Erfolg heraus, der bis heute anhält. Seit 20 Jahren werden diese Diskussionsveranstaltungen abgehalten, oft mit bis zu 600 Teilnehmern.

Weitere Kooperationen entstanden, die langjährige Zusammenarbeit mit dem Steirischen Forstverein wurde intensiviert, mit dem Bauernbund (KO Labg. a. D. Friedrich Reisinger) wurden die „Jännergespräche” ins Leben gerufen und mit den Land- und Forstbetrieben entstand eine enge Zusammenarbeit rund um die forstliche Weiterbildung.

Zahlreiche neu entwickelte Zertifikatslehrgänge runden seit Anfang der 2.000 er Jahre das Bildungsprogramm ab.

2008

Im Jahre 2008 war die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl die erste forstliche Aus- und Weiterbildungsinstitution Österreichs, die ein Qualitätsmanagement nach ISO 9001:ff eingeführt hat und dafür mit dem Zertifikat der Quality Austria ausgezeichnet wurde. In Zusammenarbeit mit der Naturschutzabteilung des Landes Steiermark entstand der weit über die steirischen Grenzen hinaus bekannte „Lehrgang für Waldameisenheger:innen”.

2014

Mit der Aufnahme der FAST Pichl in die Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Bildungshäuser erweiterte sich der Horizont insbesondere im Hinblick auf das Qualitätsmanagement und seine unterschiedlichen Aspekte – der intensive österreichweite Austausch mit anderen Bildungshäusern intensivierte die kontinuierliche Weiterentwicklung nochmals deutlich.

2020

Die COVID 19-Pandemie stellte uns auf mehreren Ebenen vor unvorhergesehene Herausforderungen. Die massiven Auswirkungen auf das Kursgeschehen mit monatelanger Reduktion der Veranstaltungen auf nahezu Null brachten jedoch nachhaltige pädagogisch-didaktische Innovationen. Immer mehr Kurse und Seminare werden seither als Online-, Hybrid- oder Blended Learning-Veranstaltungen angeboten. So hat z.B. die Entwicklung des „Waldmontags“, einer einstündigen Online-Informationsveranstaltung in enger Kooperation mit dem Waldverband Steiermark, in einer schwierigen Zeit den Puls der Zeit exakt getroffen.

Aber auch anderweitig machte uns der Ausbruch der Pandemie zu schaffen: Das im Forstgut geerntete Rundholz konnte plötzlich nicht mehr abgesetzt werden. Die gute Zusammenarbeit mit dem Waldverband Steiermark ermöglichte jedoch die Zwischenlagerung des geernteten Holzes in einem Nasslager bei Krieglach.

2022

Die Forstliche Ausbildungsstätte Pichl feierte ihr 75jähriges Bestehen mit einem Festakt im Rahmen der Tagung des Steiermärkischen Forstvereins. Eine Oper rund um die zentrale Figur des Schlossregerls wurde aus diesem Anlass geschrieben und uraufgeführt. Das Leitbild der FAST Pichl wurde einem kritischen Blick unterzogen und den Anfordernissen von außen, aber auch den Bestrebungen und Kompetenzen von innen, von Leitung und Mitarbeiter:innen angepasst.